Jean Tinguelys Amsterdam ist das Stedelijk Museum. Mit diesem Museum ist seine Karriere verbunden wie mit kaum einem anderen. Und am Anfang spielte der legendäre und überaus einflussreiche Direktor des Stedelijk Museum, Willem Sandberg, eine grosse Rolle. Sandberg hatte das Museum, in dem er schon vorher gearbeitet hatte, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Direktor geführt und als Ort der internationalen Gegenwartskunst etabliert. Mit seinen Ausstellungen, aber auch mit der grafischen Gestaltung der Druckerzeugnisse, die der Direktor als gelernter Grafiker und Typograf selbst machte, setzte das Museum Massstäbe in der Vermittlung moderner Kunst. Sandberg brachte Design, Grafik und Fotografie ins Museum, er zeigte Filme und Musik – das Museum wurde zum Treffpunkt einer jungen Generation. Dieser Kurs wurde unter Sandbergs Nachfolger Edy de Wilde fortgesetzt. Unter diesen zwei Direktoren (und auch mit der Hilfe von Kuratoren wie Ad Petersen) richtete das Stedelijk Museum Amsterdam fünf Ausstellungen mit namhafter Beteiligung von Jean Tinguely aus:
Den Auftakt machte 1961 Bewogen Beweging, eine Ausstellung, die sich der kinetischen Kunst weltweit widmete und die den Anspruch hatte, alles, was historisch und zeitgenössisch Rang und Namen hatte, in einer Schau zusammenzufassen. Sandberg hatte Daniel Spoerri in Zürich getroffen, und im Anschluss entstand ein Konzept, das Spoerri in einem Brief an Sandberg vom 8. Juni 1960 skizzierte. Nur vier Tage später schrieb Tinguely an Sandberg und postulierte sein Interesse, an einer Ausstellung kinetischer Kunst in Amsterdam beteiligt zu sein und offerierte seine Unterstützung. Dass Pontus Hultén – zu diesem Zeitpunkt bereits Direktor des Moderna Museet in Stockholm – ebenfalls Pläne für eine Übersichtsausstellung kinetischer Kunst wälzte, war angesichts der Freundschaft aller Beteiligten keine grosse Überraschung. Sandberg überliess die Organisation der Ausstellung in Amsterdam Daniel Spoerri, der wiederum mit Hultén die Eckpfeiler der Zusammenarbeit festlegte. Im Oktober 1960 wurde die Kooperation einer Arbeitsgruppe bestehend aus Hultén, Sandberg, Spoerri und Tinguely formalisiert. Wenn sich auch die beiden Ausstellungen in Amsterdam und später in Stockholm unterschieden (sowie auch die dritte Station im Louisiana Museum in Humlebaek / Kopenhagen) so war doch Jean Tinguely in allen drei Ausgaben der mit Abstand am prominentesten vertretene Künstler. Mit Bewogen Beweging in Stedelijk Museum in Amsterdam wurde Tinguelys Status als der wichtigste kinetische Künstler seiner Zeit etabliert.
Amsterdam
DYLABY
Eine der letzten Ausstellungen, die Sandberg als Direktor verantwortete, war DYLABY, dynamisches Labyrinth (1962). Sandberg hatte Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri, Martial Raysse, Robert Rauschenberg, Per Olof Ultvedt und Jean Tinguely eingeladen, eine Ausstellung zu konzipieren. Tinguely übernahm die Rolle des Organisators, das Ergebnis war ein Parcours, der durch die Räume führte und der die Besucher*innen in verschiedene Kunstwelten entführte, ja sie Teil der Inszenierung werden liess.
Während Edy de Wildes Amtszeit wurde Jean Tinguelys Werk dreimal in einer monographischen Ausstellung gezeigt: Ende 1968 in einer Ausstellung von Zeichnungen und Briefzeichnung: Jean Tinguely: Tekeningen, sowie 1973 (das war die letzte Station einer Serie von Retrospektiven, die ihren Auftakt in Paris hatte, und unter anderem auch in Basel gezeigt worden war) und Ende 1983 in zwei grossen Überblicksausstellungen seiner Maschinenskulpturen.
>> Ausstellung im Stedelijk Museum im Jahr 2017: Jean Tinguely, Machine Spectacle
Bildnachweis: Die Künstler der Ausstellung Dylaby: Per Olof Ultvedt, Robert Rauschenberg, Martial Raysse, Daniel Spoerri, Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle, Stockholm, 1962 © Foto: Christer Strömholm / Strömholm Estate