Die Arbeit nimmt einerseits Bezug auf kunsthistorische Traditionen, etwa auf die moderne Avantgarde mit Oskar Schlemmers Das Triadische Ballett (1919–1922), dessen spielerischen Umgang mit geometrischen Formen im Zusammenhang mit Tanz und Performance die Künstlerin bereits als Schülerin in der Staatsgalerie Stuttgart entdeckten konnte. Ebenfalls wichtig sind Referenzen zur Performance der 1970er Jahre. Die sich gleichsam zu Flügeln ausfaltenden Akkordeons und der Balance und Körperbeherrschung erfordernde Rainmaker-Hut von Aladağs Arbeit verweisen insbesondere auf die Körperinstrumente Rebecca Horns (z. B. Weisser Körperfächer, Balancestab, beide 1972). Die dort verhandelten Fragen nach dem Verhältnis von Körper und Bewegung und den Potentialen von skulpturalen Körperergänzungen verfolgt Body Instruments im Hinblick auf Klang weiter.
Ihre Aktualität und Prägnanz erhält Body Instruments, indem Aladağ jene kunsthistorischen Ansätze und Formensprachen anwendet und zugleich mit historischen und gesellschaftlichen Bedeutungsdimension durchwirkt. So verweist die Arbeit auf die vielfältigen Traditionen von Klangerzeugung im öffentlichen Raum, die von mittelalterlichen Narrenschellen, das Märchen vom Rattenfänger, über sakrale wie profane Prozessionsbräuche bis hin zur modernen Strassenmusik reichen. Mit der Figur der Strassenmusikerin oder des Strassenmusikers werden zugleich auch Fragen nach sozialem Status und nach der gesellschaftlichen Verhandlung über die Nutzung des öffentlichen Raums aufgerufen. Mit Schellen, Akkordeon und den zwei verschiedenen Trommelformen vereint die Performance aus unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Kontexten stammende Instrumente. Ihr gemeinsames Charakteristikum ist, dass sie alle jenseits der klassischen Musik westlicher Prägung zu verorten sind. Im Zusammenspiel entsteht so ein Stück experimenteller Musik, das zwischen zwingend-notwendigen, beispielsweise beim Gehen erzeugten Tönen und bewusst eingesetzten Bewegungen und poetischen Klängen balanciert.
Credits
im Auftrag von Museum Tinguely, Basel im Rahmen von Museum Tinguely AHOY!
Konzept und Choreographie: Nevin Aladağ
Performer: Przemek Kamiński, Darko Radosavljev
Kuratorin Museum Tinguely: Dr. Sandra Beate Reimann
Produktionsmanager: Attila Gaspar