Stephen Cripps. Performing Machines

27. Januar – 1. Mai 2017

Das Museum Tinguely zeigt die erste grosse, monographische Ausstellung des britischen Ausnahmekünstlers Stephen Cripps (1952-1982). „Stephen Cripps. Performing Machines“ versammelt über 200 Arbeiten, darunter neben einigen Filmen und ‚Sound Works‘, viele Zeichnungen und Collagen, die Einblick in die reiche und ungewöhnliche Ideenwelt des Künstlers geben. Ausgehend von seinem Interesse für kinetische Skulpturen und Maschinen, aber auch für Feuerwerk und das poetische Potential von Zerstörung sowie für neue Formen der Musik bewegte sich die äusserst experimentelle künstlerische Praxis von Cripps insbesondere in Bereichen des Performativen. Cripps’ Performances waren radikale Grenzgänge, die heute aufgrund ihres Gefährdungspotentials für Publikum und Umgebung schlicht undenkbar wären. Viele seiner Ideen sind im Medium der Zeichnung überliefert und blieben häufig unrealisiert. Im Fokus des Schaffens des jung verstorbenen Künstlers standen vor allem Experimente mit Klang. Das Museum Tinguely stellt mit dem medial übergreifenden Werk des Künstlers eine echte Wiederentdeckung vor. Die Ausstellung ist vom 27. Januar bis 1. Mai 2017 zu sehen. 

Stephen Cripps, Untitled, 1978  Collage mit Tinte, Bleistift, Kohle, Kleber und schwarze Partikel auf Papier 30 x 42 cm © The family of Stephen Cripps / Leeds Museums and Galleries (Henry Moore Institute Archive)

Stephen Cripps, Untitled, 1978 Collage mit Tinte, Bleistift, Kohle, Kleber und schwarze Partikel auf Papier 30 x 42 cm © The family of Stephen Cripps / Leeds Museums and Galleries (Henry Moore Institute Archive)

 

Vita und Werk

Cripps’ künstlerische Praxis entzieht sich bewusst der Kategorisierung. Er war kein Künstler, der sich auf ein spezielles Medium festlegte. In der kurzen Schaffenszeit von seiner Ausbildung an der Bath Academy of Art in Corsham von 1970 bis 1974 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1982 baute er Maschinen und interaktive Installationen und realisierte pyrotechnische Performances. Er konstruierte kinetische, mechanische Skulpturen, er performte, er produzierte Sound Works, er experimentierte mit Film und nicht zuletzt fertigte er Collagen und zeichnete. Sehr häufig kombinierte Cripps diese Praktiken miteinander. Das Flüchtige, Provisorische und Experimentelle sind zentrale Komponenten seines Werks. Damit nahm er Teil am Projekt der Entgrenzung der Künste, wie es sich ab den 1960er Jahren vollzog. Das reiche Spektrum von Cripps’ künstlerischen Projekten umfasste Environments, die eine Aktualisierung unserer Vorstellung des Gartens als Entspannungsort vorschlugen und unter anderem den Lärm von Rasenmähern und bellenden Hunden ertönen liessen. Mithilfe eines Helikopterrotors entstand eine Maschine, die den Galerieraum attackierte und sich dabei zugleich selbst zerlegte. Er realisierte Installationen, bei denen der Ausstellungsbesucher selbst aktiv werden musste, wie etwa in Shooting Gallery. Hier konnte mit einer modifizierten Pistole auf Becken, ein Xylophon und andere klangerzeugende Objekte geschossen werden.

 

Halo Lines während 5 days in July, 8.– 13.06.1977, The Acme Gallery, London, 1977 Farbdiapositiv © Courtesy Acme, Acme Archive

 

Wie damaligen Beschreibungen zu entnehmen ist, waren seine pyrotechnischen Performances multisensorielle Erlebnisse und echte Grenzgänge mit Gefährdungspotential nicht nur für den Galerieraum, sondern auch für den eigenen Leib und das Leben der Zuschauenden. Cripps’ Werk entwickelte sich in einem durch regen Austausch gekennzeichneten, künstlerisch-kollaborativen Klima an Orten wie der Butlers Wharf oder Acme Gallery, die Raum für radikale Interventionen boten.

 

Cripps und Tinguely

Eine wichtige Inspirationsquelle für Cripps waren Jean Tinguelys Maschinenskulpturen und seine Aktionen mit sich selbstzerstörenden Kunstwerken wie unter anderem Homage to New York (1960). Auch verfasste er seine Abschlussarbeit an der Akademie zu „Jean Tinguely“. Das Werk des Briten weist viele Verbindungen zu seinem künstlerischen Vorbild auf: Die Integration des Zufalls, der Zerstörung oder des Einfluss’ der Elemente als ästhetisches Konzept sind grundsätzliche Themen, die das Werk beider Künstler durchziehen.

 

 

 

 

Stephen Cripps, Machine Carrying Hot Air Balloon, 1970 –  1976 Bleistift, Kohle und Kugelschreiber auf Papier 33 x 20,5 cm © The family of Stephen Cripps/Leeds Museums and Galleries (Henry Moore Institute Archive)

Stephen Cripps, Machine Carrying Hot Air Balloon, 1970 – 1976 Bleistift, Kohle und Kugelschreiber auf Papier 33 x 20,5 cm © The family of Stephen Cripps/Leeds Museums and Galleries (Henry Moore Institute Archive)

 

Ausstellung

Cripps’ Werke waren höchst ephemer und existieren zu einem grossen Teil heute nicht mehr. Sie bestanden aus Feuer und Licht, Schall und Rauch und verflüchtigten sich häufig mit ihrer Realisation. Auch seine performativen Maschinen hatten nie den Charakter eines unabänderlichen Objekts, sondern wurden den Gegebenheiten angepasst oder je neu konstruiert. In der Kombination von Arbeiten auf Papier, Audiomaterial, Filmen und Dokumentationsmedien wird die Hybridität, die Cripps’ transmediale und multisensorielle, performative Praxis kennzeichnet, in die Ausstellung übertragen. Zeichnung und Klangaufnahmen, Visuelles und Akustisches ergänzen sich zu einem das Auge und das Ohr ansprechenden Erlebnis.

 

Sein Schaffen wird präsentiert in einer thematischen Gruppierung, die versucht, strikte Kategorisierungen zu vermeiden und Raum für Korrespondenzen und Assoziationen zu lassen. Die Ausstellung „Stephen Cripps. Performing Machines“ zielt darauf – gerade auch mit dem Fokus auf seine Zeichnungen – den transmedialen Charakter von Cripps’ Werken mit seinen multisensoriellen Qualitäten ins Zentrum zu rücken. Im Museum Tinguely sind zum ersten Mal, die bis dato unbekannt gewesenen Sound Works von Cripps zu hören. Der Künstler sammelte ausserdem lärmende Geräusche, etwa von Düsenjets und Rasenmähern. Sie waren primär als künstlerisches Material gedacht und liefern an passender Stelle den Klangteppich zu seinen Konzeptionen maschineller Welten. Dadurch entstehende kakophonische Überlappungen entsprechen dem grundsätzlichen Charakter seiner Kunst wie auch der lärmenden, teils überfordernden Klangkulisse der modernen, industrialisierten Welt, die vielfach den Ausgangspunkt für Cripps’ Schaffen bildete.

Cripps at the Acme. Drawings & Performances, 9. – 17.05.1980, The Acme Gallery, London, 1980, Farbdiapositiv © Courtesy Acme, Acme Archive

Cripps at the Acme. Drawings & Performances, 9. – 17.05.1980, The Acme Gallery, London, 1980, Farbdiapositiv © Courtesy Acme, Acme Archive

 

Entstehung der Ausstellung und Katalog

Dem Ausstellungsprojekt vorangegangen ist eine sich über die letzten zwei Jahre erstreckende Aufarbeitung und Katalogisierung des Archivmaterials im Stephen Cripps Archive, welche die Kuratorin der Ausstellung, Sandra Beate Reimann, dort in enger Zusammenarbeit mit dem Henry Moore Institute, das den Nachlass von Cripps betreut, vornehmen konnte. Die Verortung von Cripps’ Werk insbesondere in seinem unmittelbaren kulturellen und künstlerischen Kontext im London der 1970er und 1980er Jahre wird im zur Ausstellung erscheinenden Katalog geleistet. Die auf Deutsch und Englisch erscheinende Publikation umfasst einen Textteil mit wissenschaftlichen Beiträgen von Lisa Le Feuvre, Dominic Johnson, Sandra Beate Reimann, David Toop und Jeni Walwin sowie unter anderem eine Sektion mit Dokumenten, die bisher unveröffentlichte Interviews und eine Galeriediskussion enthält. Als erste umfassende wissenschaftliche Veröffentlichung zum Werk von Stephen Cripps wird der Katalog damit das Referenzwerk für die weitere Thematisierung und Erforschung des Œuvres dieses Künstlers bilden.

Der Katalog erscheint im Verlag für moderne Kunst; ISBN (Deutsch): 978-3-9524392-8-9; ISBN (Englisch): 978-3-9524392-9-6.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Sandra Beate Reimann. Sie entstand in Partnerschaft mit dem Henry Moore Institute, Leeds.

 

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